Das Hungertuch
Seit jeher gibt es Menschen, welche die Sicherheit eines stabilen Berufs aufgeben und stattdessen den Weg des Künstlers einschlagen. Im Allgemeinen ist einem damit nicht viel Erfolg gegönnt. Nur eine Handvoll unter hundert Personen wird mit einem künstlerischen Beruf ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Mit dem Siegeszug der KI, die wider Erwarten ausgerechnet im Kunstbereich Enormes leistet, wird sich dieses Problem noch verschärfen. Somit werden wenig erfolgreiche Künstler über kurz oder lang am Hungertuch nagen. Doch was ist eigentlich ein Hungertuch? Die Redewendung stammt aus dem Mittelalter, als man während des Fastens vor Ostern den Altar vom restlichen Kirchenraum abgetrennt hat. Als Abtrennung diente jenes Tuch, das als Symbol für die Leiden Christi herhielt und die Gläubigen am Vergessen ihrer eigenen Sünden hindern sollte. Es war ursprünglich Brauch, dieses auch Fastentuch genannte Stoffgewebe selbst zu nähen. Eine Wandlung des Worts "nähen" in "nagen" lässt den religiösen Ursprung heute kaum noch erahnen. Die Redewendung wird mittlerweile hauptsächlich für Berufe herangezogen, bei denen ein Brötchenverdienen schlecht möglich ist. Das sind zum einen eben jene aus dem Kunstbereich, zum anderen haben sich dank der Inflation aber auch viele handwerkliche Berufe dazugesellt. Wer aber nicht ans Aufgeben denkt und stets weiter seinem Traum folgt, wird unweigerlich besser als die Konkurrenz sein und sich zumindest keine Sorgen ums Verhungern machen müssen.