Der Sultan und seine Sklaven
Der Sultan ritt einst durch die Straßen von Istanbul. In Begleitung seiner Soldaten und einiger Häftlinge, die dem Sterben nahe waren, ließ er sich vom Volk feiern, das sich bei seinem Vorbeiziehen untergeben verbeugte. Einzig ein zerlumpter Weiser bildete die Ausnahme. Vom Auftreten des Sultans unbeeindruckt(,) wurde er vom Herrscher gefragt, ob ihm das Zollen von Respekt so zuwider wäre, dass er dafür sein Leben riskieren würde. Der Weise antwortete: "Alle diese Leute verneigen sich in Ehrerbietung, weil sie dasselbe wollen wie Ihr! Geld, Macht und Rang. Gott sei Dank haben diese Dinge keine Bedeutung mehr für mich. Außerdem wüsste ich nicht, warum ein Verneigen angemessen sein sollte, wenn ich doch zwei Sklaven habe, die Eure Herren sind." Aus der Menge war ein Schnappen nach Luft zu vernehmen(,) und vor Empörung wich das Rot aus dem Gesicht des Sultans. Auf das Verlangen nach einer Erklärung erwiderte der Weise: "Meine Sklaven, die über Euch herrschen, heißen Ärger und Gier." Nach dem Vernehmen dieser Worte voller Wahrheit verneigte sich der Sultan in Demut vor dem Weisen.
(Frei nach der Geschichte "Der Sultan und der Derwisch" aus "Spirituelle Kurzgeschichten aller Völker und Zeiten")